Den ersten Vortrag im Jahre 2019 bei den Briefmarkenfreunden Kornwestheim hielt Jürgen Schramm am 15.03.2019 vor den Vereinsmitgliedern über seine Sammlung zur Inflationszeit 1922 / 1923 in Deutschland.
Viele Zuhörer waren gekommen, die sich diesen Vortrag eines Experten ersten Ranges zu diesem Thema nicht entgehen lassen wollten. Jürgen Schramm ist Mitglied der philatelistischen Arbeitsgemeinschaft Inflation.
Interessant ist das Mahn- und Gedenkblatt aus dem Jahre 1925, welches die abgebildeten Briefmarken als „Dokumente einer irrsinnigen Zeit“ begreift. Insgesamt gab es in den Jahren 1916 bis zum Dezember 1923 25 Portoerhöhungen, beginnend mit jährlicher Veränderung, dann monatlich und ab August 1923 eine fast wöchentliche, später – im November 1923 – auch fast tägliche Anhebung der Gebühren. Der Höhepunkt war im Dezember 1923 erreicht, als das Porto für eine Postkarte 50 Milliarden Mark betrug.
Ab August / September 1923 griff man zu Notmaßnahmen, da die Frankaturen ganze Belege bedeckten und die Anschriften und Absender kaum mehr Platz fanden. Abhilfe brachten Porto-Überdrucke in Tausend-, Millionen- und Milliardenangaben auf bestehenden Marken. Ebenso findet man anstelle von Briefmarken die „Gebühr bezahlt“ Stempel mit meistens handschriftlichen Gebühreneinträgen oder sog. Gebührenzettel.
Als Teilbarfrankaturen werden Frankaturen bezeichnet, die aus Briefmarken und „Gebühr bezahlt“ Stempeln bestehen. Interessant sind auch Briefe oder Postkarten mit Treppen- oder Dachziegelfrankaturen.
Im Vergleich zu den Portostufen ist auch die Veränderung der 1kg-Brotpreise zur damaligen Zeit exorbitant: so kostete 1 kg Brot im Juli 1923 sage und schreibe 3 500,- Mark, im August 6 900,- Mark, im September 1,5 Millionen Mark, im Oktober 1,7 Milliarden Mark und im November 200 Milliarden Mark.
Ähnlich verhielt sich der Dollarkurs zur Mark:
Im Juli 1914 kostete 1 Dollar 4,2 Mark, im Juli 1919 14 Mark, im Juli 1920 39,5 Mark, im Juli 1921 76,7 Mark, im Juli 1922 493,2 Mark, im Juli 1923 353.412,- Mark und im Oktober 1923 25,26 Milliarden Mark, um schließlich Mitte November auf 4,2 Billionen Mark hochzuschnellen.
Der Höchstwert einer Briefmarke betrug in der Inflationszeit 50 Milliarden, dieser wurde am 22.11.1923 herausgegeben. Sowohl Einzel- und Mehrfach-Frankaturen mit dieser 50 Milliardenmarke sind insbesondere im November äußerst selten, für gewöhnlich wurde diese Marke als Mischfrankatur, d. h. mit Marken anderer Wertstufen verwendet. Der November war der turbulenteste Monat des Jahres 1923. Im Briefmarken-Jahrgang 1923 der Deutschen Reichspost wurden bis Ende November 13 Sondermarken, 81 Dauerserienmarken und 28 Dienstmarken herausgegeben. Nach der Währungsreform vom 1.12.1923 und Einführung der Rentenmark kamen je sechs weitere Dauerserienmarken und Dienstmarken hinzu.
Ab dem 1.12.1923 erhielt Deutschland durch die Ablösung der Papiermark und mit Einführung der Rentenmark eine neue Währung. Das gesamte alte Geld und die alten Briefmarken wurden wertlos. Nur Geldscheine im Wert von mehr als 1 Billion Mark konnten umgetauscht werden ( 1 Billion = 1 Rentenmark); ebenso fanden Briefmarken im Nominalwert von mehr als 10 Milliarden Mark (10 Mrd. = 1 Rentenpfennig) weiter Verwendung. Es gab auch sog. Misch-Frankaturen, d.h. alte Inflationsmarken mit Milliarden-Werten wurden zusammen mit den neuen Rentenpfennig-Marken verklebt.
Der nächste Vortrag bei den Briefmarkenfreunden Kornwestheim findet am 05.07.2019 im Vereinsraum im Casino, Aldinger Str. 80 zum Thema „Der Kranich fliegt wieder. Lufthansa-Briefe ab dem Neubeginn 1955“ statt, Referent ist dann Kurt Steichele. Gäste sind gerne willkommen, der Eintritt ist frei.
Das Jahresprogramm der Briefmarkenfreunde Kornwestheim ist zu finden unter:
http://www.briefmarkenfreunde-kornwestheim.de/jahres-programm